10 Fragen an Jae-Duk Kim
Jae-Duk Kim ist ein südkoreanischer Choreograf und Musiker. Während er in seiner Heimat vor vielen Jahren ein eigenes Ensemble «Modern Table Dance Company» gegründet hat und seither leitet und als Hauschoreograf bei «T.H.E Dance Company» in Singapur arbeitet, ist er in Europa noch weitgehend unbekannt. Seine Werke verbinden zeitgenössischen Tanz mit koreanischer Tradition und legen den Fokus auf die Verbindung von Tanz und Musik, die er jeweils selbst komponiert. Bei «Exploration of Energy» wird sein neues Stück «JE-UI» von TanzLuzern uraufgeführt.
Lieber Jae-Duk, wie kamst du erstmals mit Kunst und Kultur in Kontakt?
Meine Mutter stammt aus einer Familie, die stark von Musik geprägt ist. Sie selbst ist Sängerin im Bereich Jazz und Gospel und spielt Klavier. Mein Vater ist jetzt ein erfolgreicher Geschäftsmann, bis zu meiner Geburt aber war er ein ausgezeichneter Kung-Fu-Master. Er hat diese Laufbahn aus finanziellen Gründen aufgegeben, aber als wir Kinder waren, hat er meinen Bruder und mich jeden Tag zu Hause darin unterrichtet. Meine Leidenschaft für Bewegung rührt also sicher daher. Kung-Fu ist in meiner Bewegungssprache bis heute erhalten und ist einer von vielen Bestandteilen dessen, was mein Tanzen heute ausmacht.
Wolltest du denn schon immer Tänzer werden?
Eigentlich nicht. Anfangs wollte ich vor allem Musik machen, ich spielte mit meinen Freunden in einer Rockband. Ich habe Klavier gelernt, als ich jung war, und auch ein bisschen Gitarre. Während meiner Schulzeit hat meine Mutter auch dafür gesorgt, dass ich komponieren lernte.
Warum hast du dann nicht Musik studiert?
Ach, das Musikmachen war für mich trotz allem immer eher Freizeitbeschäftigung, der Teil des Lebens, den ich mit meinen Freunden verbrachte. Als Berufsweg sah ich das damals nicht. Das war ja noch in der Zeit, bevor K-Pop ein grosses Ding wurde, heute sähe das vielleicht anders aus.
Wie kam es denn schlussendlich zum Tanz-Studium?
Ich habe schon in meiner Jugend immer getanzt und während der Schulzeit auch eine High School mit Schwerpunkt Tanz besucht. Dort belegte ich im ersten Jahr Ballett, darin war ich aber nicht so gut – vielleicht auch, weil ich gar nicht so oft hinging. Es war offensichtlich nicht mein Stil. Im zweiten Jahr besuchte ich stattdessen die Klasse für traditionellen koreanischen Tanz, was besser passte. Auf Empfehlung meines Lehrers wechselte ich schliesslich im dritten Jahr zum Contemporary Dance. In dem Fach habe ich den Abschluss gemacht und dann an der Korean National University of Arts studiert.
Wie würdest du deine eigene Tanzsprache beschreiben?
Mein eigener Stil basiert auf einer Fusion aus mehreren Quellen, welche ich dann nach und nach weiterentwickelt habe. Auch einige Grundelemente des traditionellen koreanischen Tanzes sind in mein Bewegungsspektrum eingeflossen. So stammen zum Beispiel bestimmte Handstellungen daher, oder auch die Art und Weise, wie ich – wenn auch in abgeänderter Form – das Atmen einsetze. Genauso profitiere ich von meinen Kung-Fu-Stunden und insgesamt von der Beschäftigung mit den Martial Arts. Das alles kleide ich in ein sehr zeitgenössisches Gewand, vor allem, was die Struktur meiner Stücke anbelangt.
Wie ist dein Stück in «Exploration of Energy» aufgebaut?
Es beginnt sehr langsam, aus der Ruhe heraus. Allmählich wird die Reise mit kurzen Unterbrechungen immer schneller, es entwickelt sich nach und nach ein gewaltiger, rasanter Strudel an Ereignissen. Dieser Aufbau der Energie war wichtig. Ein Wort, das auch gut gepasst hätte und auch ein Titel hätte sein können, ist «Erwachen» – auf Koreanisch «Kakssung».
Erzählt das Stück eine Geschichte?
Nein. Ich überlege mir jeweils vor Beginn eine bestimmte Stimmung oder Atmosphäre, die ich erzeugen möchte. Das ist dann mein Ausgangspunkt. In vielen meiner Stücke geht es um eine Art Ritus. Bei diesem Stück ist dies so stark der Fall, dass ich diese Verbindung auch durch den Titel «JE-UI» ausdrücken wollte. Das ist genau, was das aus dem Chinesischen stammende Wort bedeutet. Es ist eine Reise von der Vergangenheit in die Gegenwart, vom Traditionell-Koreanischen zu einer allgemeingültigen Ästhetik, vom äusserlich Sichtbaren zum Kern der Existenz.
Du hast die Musik für dein Stück bei «Exploration of Energy» selbst komponiert. Kannst du etwas dazu erzählen?
Ich hatte eine Art Grundstruktur vorbereitet und das Material dann immer wieder ergänzt und so angepasst, dass es genau zu den jeweiligen Abschnitten der Choreografie passte. Es gibt keine realen Klänge, die ich aufgenommen habe, auch wenn es manchmal stark nach «echten» koreanischen Instrumenten klingt: Man meint, man hört koreanische Trommeln wie Buk oder Sogo, die Flöte Daegeum oder auch die koreanische Zither namens Gayageum. Tatsächlich sind aber alle Sounds künstlich von mir am Computer erzeugt.
Bei TanzLuzern arbeitest du mit Tänzer*innen, die teilweise aus ganz anderen Tanzwelten stammen als du und dein Ensemble in Korea. Was ist anders, wenn du hier arbeitest?
Ich muss mehr erklären. In Korea brauche ich oft nur Namen oder Begriffe von Bewegungen zu nennen und alle wissen automatisch, was gemeint ist und was sie tun sollen. Wenn ich also «Schal» sage, machen sie sofort alle dasselbe. Hier mache ich meist vor, was ich erreichen will, und erkläre, wie bestimmte Bewegungen «gemeint» sind.
Was findest du hier in der Schweiz anders als in Korea?
Was mir vor allem auffällt, sind die vielen verschiedenen Menschen, die sich stark voneinander unterscheiden und sich gleichzeitig mit so viel Respekt begegnen. Man ist sehr höflich. Das ist beeindruckend und erinnert mich ein bisschen an Singapur. Ich bin das aus Korea überhaupt nicht gewohnt. Dort sieht man fast nur koreanische Gesichter, die Menschen sind verschlossener und man hat oft Mühe mit dem Fremden.
Auszug aus einem Gespräch zwischen Jae-Duk Kim und Tanzdirektorin Wanda Puvogel